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Beiträge aus dem Was-mit-Medien-Alltag

Websites als Gemeinschaften

Eine Website zu betreiben, heißt eine soziale Gemeinschaft zu bilden und zu pflegen.

Egal ob Verein, Berufsverband, Schraubenhersteller, Verlag, Schule oder privater Blog - die Zeiten sind lange vorbei, in denen sich ein Sender an eine Zielgruppe gewendet hat. Im Web 2.0 wollen alle etwas voneinander.

Der Verein (also die Mitglieder, die aktiv sind) gibt Informationen an die Mitglieder und wünscht sich dafür Beteiligung. Ein Hersteller veröffentlicht Produktinformationen auf der Suche nach Käufern oder Rückmeldung in Form von Bewertungen, Likes oder Empfehlungen. Ein Verlag ist Mittler zwischen Autoren und Lesern.

Das hört sich im ersten Moment vielleicht etwas banal an. Tatsächlich – in meiner Webentwickler-Realität – werden Websites als technische Konstrukte wahrgenommen – als eine Ansammlung von Funktionalität – und nicht als soziale Gebilde. Das ist ein Problem. Als Dienstleister merken wir das bei Ausschreibungen und in der langfristigen Betreuung.

Ausschreibungen lesen sich wie der Weihnachtswunschzettel meiner Kinder. Sie sind Ansammlungen von konkreten Produktwünschen, gerne mit Stückzahl und Bestellnummer:

  • „Wir brauchen eine Typo3-Website …“,
  • „Ich will eine Lightbox …“,
  • „Da muss ein Karussell rein …“,
  • „Wir wollen einen Blog …“.

Selten bis nie liest man inhaltliche Wünsche nach dem Motto:

  • Wir möchten regelmäßig über neue Produkte informieren und dazu die Meinung unserer Kunden hören.
  • Wir möchten Lehrern, Schülern und Eltern eine geschlossene Plattform zum Austausch von Erfahrungen geben.
  • Unsere Mitgliedern möchten Ihre Erlebnisse bei Vereinsaktivitäten austauschen.
  • Wir möchten, dass unsere zufriedenen Kunden unsere Produkte weiterempfehlen.

Aus solchen Wünschen lassen sich konkrete Aufgabenstellungen ableiten. Wer ist „Wir“? Um welche Informationen geht es? Wie oft und wie viele? Wer erstellt die Inhalte? Wer liest die Antworten? Und so weiter. Daraus ergeben sich dann Anforderungen, welche Technik zum Einsatz kommen kann, ob die eigene Website der richtige Platz ist oder vielleicht ein offenes Forum oder ein soziales Netz?

Wenn Websites scheitern, ist das oft keine Frage der Technik, sondern eine Frage falscher Erwartungen oder Ausgangsbedingungen. Wie oft haben wir schon Foren installiert, weil ein Verband offensichtlich vorhandene Probleme zur Diskussion bringen wollte. Wie oft haben wir diese Foren nach einer Weile wieder abgeschaltet, weil nach zehn Wortmeldungen die Aktivität einschlief. Das ist – in erster Linie – keine Frage von gutem Forum oder schlechtem Forum, von Benutzbarkeit oder nicht (einige der aktivsten Foren, die ich kenne sind grottenhässlich und fast unbedienbar). Es ist eine Frage von Ansprache, davon dass die Initiatoren selbst diskutieren, dass auf Fragen geantwortet wird (zeitnah!), dass aus Diskussionen im Forum echte Aktivitäten in Gremien und daraus echte Entscheidungen werden.

Blogs scheitern nicht, weil sie nicht in Wordpress programmiert sind. Blogs scheitern, weil einen Blog installiert zu haben nicht heißt, dass man fertig ist. Es geht um erkennbare Autorschaft, um nützliche Inhalte, um Stetigkeit.

Online-Shops scheitern nicht, weil die Software doof ist. Sie scheitern, weil das Umfeld nicht stimmt, weil es vielleicht kein Verkaufskonzept gibt? Weil keiner die Produkte pflegt und das Schaufenster täglich liebevoll bestückt? Weil die Tatsache, dass man einen Online-Shop installiert hat, nicht heißt, dass die Käufer plötzlich Schlange stehen.

Wenn die Entwicklung einer Website nicht als technische sondern als soziale Frage betrachtet wird, dann besteht auf lange Sicht auch Aussicht auf Erfolg. Dann kommt auch nicht als erste Reaktion auf die Reaktion des Dienstleisters auf den „Wunschszettel“: „Oh – so teuer?“. Denn dann ist selbstverständlich, dass die technischen Fragen – also die Herstellung der technischen und formalen Infrastruktur – nur einen Bruchteil in der Gesamtaufgabe ausmachen. Und mit Sicherheit werden viele der technischen Wünsche nicht sofort gebraucht. Und müssen auch nicht alle Kosten sofort entstehen.

Ich wünsche mir mehr Auftraggeber die erkennen, dass die größten Arbeitsanteile vor und nach der Websiteproduktion liegen.

24.06.2014 | 1 Kommentar

„Kooperation ist die Rettung“

Vortrag von Victoria Ringleb, Geschäftsführerin der AGD

co-working-space in der bauhaus.factory
co-working-space in der bauhaus.factory • Foto: Martin Kohlhaas

Es ging um das Netzwerken in der Kreativwirtschaft, vor allem als Chance für „Einzelkämpfer“ auf der Suche nach spannenderen und/oder größeren Projekten. Netzwerken wurde hier weniger als Form von lockerem Austausch, sondern im Sinne von konkreter Kooperation bei realen Projekten referiert.

Für mich war der Termin vor allem eine Gelegenheit, am Tag der Eröffnung, die bauhaus.factory, das neue Kreativzentrum in Weimar mal von innen zu sehen.

19.05.2014 | 2 Kommentare

Thüringer Kreativradar 2012

Heute fand die Preisverleihung zum zweiten Thüringer Kreativradar statt. Wir hatten dieses Mal mitgemacht, aber nicht gewonnen. Trotzdem wollte ich mir die angekündigte Ausstellung nicht entgehen lassen.

Bahnhofstraße 4a in Erfurt, erstes Obergeschoss. Schaumstoffplatten-Deckenverkleidung, graublauer Spannteppich, schlechte Luft. Matthias Machnig, Thüringer Minister für Wirtschaft, Arbeit und Technologie, redet vor ungefähr 70 Menschen, hauptsächlich Studierende, über die Bedeutung der Thüringer Kreativwirtschaft. Es werden Zitate von Bill Gates (1981: „Niemand wird jemals mehr als 640k RAM benötigen!“), Ken Olsen („Es gibt keinen Grund dafür, dass jemand einen Computer zu Hause haben wollte.“), Harry M. Warner („Wer zum Teufel, will denn Schauspieler sprechen hören?“), Avery Brundage („Wir sind 60 Jahre ohne Fernsehen ausgekommen und werden es weitere 60 Jahre tun.“), Darryl F. Zanuck („Der Fernseher wird sich auf dem Markt nicht durchsetzen. Die Menschen werden sehr bald müde sein, jeden Abend auf eine Sperrholzkiste zu starren.“) – allesamt zu finden auf diversen Web-Seiten wie dieser hier – zum Besten gegeben.
Nein, sie haben sich alle geirrt, es kam ganz anders. Die Thüringer Kreativwirtschaft mache 1,6 Milliarden Euro Umsatz im Jahr… Er suche nicht weniger als „den neuen Bill Gates und den neuen Steve Jobs in Thüringen“, sagt der Minister. Aha.

Danach ergänzt der Chef der Thüringer Agentur für die Kreativwirtschaft unter anderem, dass es in diesem Jahr „ungefähr 130 Einreichungen“, also 30 Prozent mehr* gab, als 2011. Schön.

Dann werden die elf, vorab informierten Preisträger einzeln nach vorn gerufen. Ein Jurymitglied (den Namen konnte ich leider nicht verstehen) ergänzt die spaßigen Minister-Kommentare zu Firmennamen wie „Dicke Katze“, „Comake Shoes“ oder „Igelhaus“ um das, was der Jury besonders gut gefallen hat. Die grafische Umsetzung der 30x30-Blätter wird auffällig oft erwähnt. Dagegen wird auf die Erfüllung der Kriterien der Aufgabenstellung nicht eingegangen. Und – leider wird keine einzige Einreichung gezeigt.

Nach 35 Minuten ist alles vorbei. Es gibt ein Gruppenfoto mit Minister, Sekt und Häppchen werden angekündigt, Hände geschüttelt. An zuvor leeren blauen Tafeln, „die Thüringen symbolisieren sollen“, hängen nun die Blätter der Preisträger.
Die Ausstellung aller Einreichungen, deretwegen ich zu dieser Veranstaltung gefahren bin – obwohl man ja eine Woche vor Weihnachten auch andere Dinge zu tun hat, kann ich nicht entdecken. Habe ich die übersehen? Wurde die erst später „rausgeholt“, oder gab es noch ein Zimmer, das ich nicht gesehen habe?

Leider konnte ich länger warten. Denn trotz zwischenzeitlich geöffnetem Fenster war die Luft irgendwie stickig.

* 2011: 99 Bewerbungen, 2012: 125 Bewerbungen
125/99 = 26% (Na ja, man hätte auch „gut ein Viertel mehr“ sagen können…)

p.s. Nur vier der elf Preisträger hatten ürbigens mit den einleitenden Zitaten zu Technik zu tun. Sonst ging es um Bambus, Illustration, Schuhe, Illustration, Musik, Porzellan – ganz der Vielfalt der Kreativwirtschaft entsprechend…

17.12.2012 | 1 Kommentar